LiteraTurnier im Zeichen des Aufbruchs in die Fastenzeit
Das vom Förderverein der Stadtbücherei Werne präsentierte, gut aufgelegte Quintett hat am Mittwochabend zum Glück der ca. 75 Zuschauenden nur „fast gefastet“, jedenfalls nicht vom LiteraTurnier. Denn es lieferte sich mit pointierten Sprüchen einen erneut humorvollen Bücherstreit. Zukünftige Abstinenzvorhaben sind jedoch „Trump-Fasten“, „Schlechte Nachrichten-Fasten“ oder nach einem „Tipp aus Flensburg Führerschein-Fasten“.
Hartmut Marks stellte den Roman „Wild Wuchern“ von Katharina Köller vor, in dem ein Glamour-Girl bei ihrer als Eremitin in den Bergen lebenden Cousine Zuflucht sucht. Die „aus dem Blumentopf gerissene Zierpflanze“ entdecke nach einer mitreißend beschriebenen Flucht vor ihrem Mann das eigene Ich und beginne „wild zu wuchern“ so Marks. Seine Befürchtung eines typischen „Liane- (Frauen) -Romans“ stellte sich wider Erwarten nicht ein. Liane Jäger selbst bescheinigte dem Buch „schön, mit viel Tiefe“. Es gebe zahlreiche Andeutungen, so dass es bis zum Schluss spannend bleibe. Und Magnus See, der den erst zweiten Roman der Autorin eigentlich aufgrund von „Anfängerfehlern hassen“ wollte, bescheinigte ihm „atmosphärische, allegorische Beschreibungen“, der in einem „elliptischen Satzbau“, unwichtige Wörter weglassend, ein schnelles packendes Lesevergnügen ermögliche.
„Was das Meer verspricht“ von Alexandra Blöchl präsentierte Liane Jäger als verführerischen, gut zu lesenden Roman. Die junge Vida folgt auf einer Insel lebend ihrem vorgezeichneten Weg bis die unkonventionelle Marie auftaucht. Beim Schwimmen zieht Marie immer eine Meerjungfrauenflosse an und lässt sich von Vida fotografieren. Obwohl bereits mit einem Mann verlobt, verliebt sich Vida in Marie und ihr auf die Insel zurückkehrender Bruder macht die Sache zusätzlich kompliziert. Dies war für Marks ein „Liane-Buch“, das ihm aufgrund zu viel „Ich“ nicht gefiel, und abgesehen vom Cover „überflossig“ sei. Ludger Burmann hingegen hat das Buch dem Fußball vorgezogen, was allein schon was heiße, während Dieter Vatheuer es nur zu Ende las, um zu wissen, ob er Recht hatte. Die Protagonisten waren sich bezüglich eines (un-)erwarteten Endes nicht einig.
Elisa Hoven schreibt in „Dunkle Momente“ über harte, tragische, aber auch rührende Straffälle, die Hintergründe von Tätern und wie es zu Urteilsbegründungen kommt. Nicht nur Ludger Burmann war immer aufs Neue gespannt, was die Strafverteidigerin macht, wie sie den Fall löst und „Leute raushaut“ trotz eigener Zweifel. Das Buch lade „zum Nachdenken“ ein, „wie hätte ich´s gemacht?“, so Burmann. Die Vorstellung des druckfrischen Buchs wurde von Hubertus Waterhues lebhafter Beschreibung eingeleitet, wie alle Hebel in Bewegung gesetzt wurden, um vor der Veröffentlichung am 26. Februar allen ein Vorabexemplar zukommen zu lassen.
Der „Wackelkontakt“ von Wolf Haas stürmt die Bestsellerlisten und das flirrende Cover ist Programm. Wie hängen ein auf den Elektriker wartender Mann und ein Mafia-Kronzeuge zusammen? Nach Magnus See ist es eine ineinander verwobene spannende Geschichte, die „durch Schachtelsätze zur Langsamkeit schult“ und von lakonischem, trockenem Humor durchzogen ist. Sie sei wie ein Puzzle, wobei sich erst durch das letzte Teil das Bild und ein überraschendes Ende zeige. Von diesem neuartig geschriebenen Buch waren alle Protagonisten beeindruckt, wenn es auch an manchen Stellen heftig zu lesen sei.
Doch auch das Publikum erwies sich als schriftstellerisch und poetisch begabt und einige gewannen für ihre Reime Eintrittskarten für das Solebad und Maximare. Zudem wurden den Protagonisten im Verlauf des Abends vom Bürgermeister Lothar Christ noch Einzelurkunden für den gewonnenen Kulturpreis 2024 der Stadt Werne überreicht, die sie sich nun laut Waterhues als Spiegel-Bestseller an den Spiegel hängen könnten.